Airborne Clusterfuck
medical oxygen masks,
concrete, acrylic paint
INDUSTRY, group show, 12.09.-22.09.2024
︎ Neuer Berliner Kunstverein , Berlin
2024
Installation view INDUSTRY, n.b.k. at the Uferstudios für Zeitgenössischen Tanz, Berlin, 2024 © photo: n.b.k. / dotgain.info
With/Mit Karo Akpokiere, Stefan Alber, Bettina Allamoda, Elena Alonso Fernández, Sascha Appelhoff, Ilaria Biotti, Antje Dorn, Brad Downey, Heiner Franzen, Mark Fridvalszki, Lola Göller, Asta Gröting, Mingrui Jiang, Oscar Juul-Sørensen, Peter Klare, Philipp Lachenmann, Justina Los, Jens Pecho, Manfred Peckl, Oscar Peters, Rob Prideaux, Alona Rodeh, Hansjörg Schneider, Bettina Scholz, Gry Tingskog, Tim Winter, Silvia Witte
Curators/Kuratoren Marius Babias, Arkadij Koscheew
Neuer Berliner Kunstverein (n.b.k.) presents INDUSTRY as a guest at the Uferstudios and Uferhallen. This project sheds light on the entire complex of the former main workshops of the Berlin Transport Company (Berliner Verkehrsbetriebe, BVG) and links the history of the Gesundbrunnen district in the 20th century with current discussions on deindustrialization and the cultural industry. A new work by Karo Akpokiere and a large-scale kinetic piece by Oscar Peters revisit forgotten aspects of Wedding’s history and the former “Boulevard Badstrasse.” The exhibition also provides a platform for artistic interventions by locally based and internationally networked artists.
Uferhallen and Uferstudios form a production hub for contemporary visual and performing arts in the heart of Berlin. This unique environment enables artistic productions and cultural exchange, significantly enhancing Berlin’s status as a leading European cultural metropolis. In the current political landscape, shaped by geopolitical challenges and the growing impact of climate change in Germany, the spectre of deindustrialization has been haunting Germany, conjured by specific interest groups and political stakeholders. Against this backdrop, n.b.k. aims to highlight those sites that reflect Berlin’s industrial past and its rapid development in the early 20th century while offering an indispensable infrastructure for cultural workers.
The centerpiece of INDUSTRY is an expansive work by Oscar Peters (*1981 in Borger / Netherlands, lives and works in Amsterdam), referencing a rollercoaster built in 1924 near the Uferstudios at Badstrasse 8. Using the rollercoaster as a metaphor for the district’s historical ups and downs and linking spatially to the site’s past, The Twins (2024) becomes a stage for artistic contributions. Where one would expect cheering people, sculptures ride the rollercoaster cars. INDUSTRY thus takes a humorous look at the potential futures of cultural and art venues while exploring the neighborhood’s historical roots.
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DE
Der Neue Berliner Kunstverein (n.b.k.) ist mit dem Projekt INDUSTRY zu Gast in den Uferstudios und den Uferhallen. Das Projekt beleuchtet den gesamten Komplex der ehemaligen Hauptwerkstätten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und schlägt eine Brücke zwischen der Geschichte des Ortsteils Gesundbrunnen im 20. Jahrhundert und dem aktuellen Diskurs um Deindustrialisierung und Kulturindustrie. Eine neue Arbeit von Karo Akpokiere sowie ein raumgreifendes kinetisches Kunstwerk von Oscar Peters nehmen Bezug auf in Vergessenheit geratene Aspekte der Geschichte Weddings und des ehemaligen „Boulevards Badstraße“. Zugleich wird die Ausstellung zur Plattform für künstlerische Interventionen lokal verankerter wie international vernetzter Künstler*innen.
Uferhallen und Uferstudios bilden inmitten Berlins einen Produktionskomplex zeitgenössischer bildender und performativer Künste, der dank seiner einzigartigen Rahmenbedingungen künstlerische Produktionen und kulturellen Austausch ermöglicht, die maßgeblich zu Berlins Bedeutung als europäische Kulturmetropole beitragen. Im gegenwärtigen Diskursklima geht angesichts geopolitischer Herausforderungen und der immer offenkundiger werdenden Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland das von Interessensverbänden und politischen Kräften beschworene Gespenst der Deindustrialisierung um. Der n.b.k. möchte vor diesem Hintergrund den Blick auf die Orte lenken, die von der industriellen Vergangenheit Berlins und der rasanten Entwicklung Anfang des 20. Jahrhunderts zeugen, während sie zugleich eine kritische Infrastruktur für Kulturschaffende darstellen.
Als zentrales Element der Ausstellung INDUSTRY nimmt eine raumgreifende Arbeit von Oscar Peters (*1981 in Borger / Niederlande, lebt und arbeitet in Amsterdam) Bezug auf eine 1924 unweit der Uferstudios in der Badstraße 8 errichtete Achterbahn. Ausgehend von der metaphorischen Bedeutung des historischen Auf und Ab des Stadtteils und der konkreten räumlichen Verbindung zur Vergangenheit des Standorts, wird The Twins (2024) zur Bühne für die künstlerischen Beiträge weiterer Künstler*innen. Statt jauchzender Menschen werden hier skulpturale Kunstobjekte zu Passagier*innen der Achterbahnwagen. INDUSTRY richtet so einen humorvollen Blick in mögliche Zukünfte der Kultur- und Kunststätten und ermöglicht eine Auseinandersetzung mit den historischen Wurzeln der Nachbar*innenschaft.
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Airborne Clusterfuck
This installation presents a post-apocalyptic future where air, once abundant, has become a scarce and vital resource. Transparent green medical oxygen masks, shaped into forms resembling snakes, twist and undulate as they are kept in constant motion by two oscillating ventilators. Some of the snake-like forms were grouped into clusters, anchored by heavy ceramic pieces.
The title "Airborne" reflects the exploration of both the literal and metaphorical aspects of air and breath. On one level, "Airborne" describes the masks’ suspension and movement in the air, as they seem to float or drift, carried by invisible currents. Additionally, the term "airborne" connects to the unseen forces—like air or a virus—that sustain or threaten life, resonating with the installation’s setting in a former tuberculosis sanatorium, a place historically tied to airborne diseases.
The serpentine forms of the masks also carry a deep symbolic resonance. In the history of medicine, the snake is a powerful emblem of healing and protection, most famously represented in the Rod of Asclepius, an ancient Greek symbol associated with medicine and healthcare. The Rod of Asclepius, a staff entwined with a single serpent, is named after Asclepius, the Greek god of healing and medicine. This symbol has endured through the centuries, representing the medical profession's commitment to life and healing.
In this installation, however, the serpentine shapes take on a more ambiguous role. While they recall the medical heritage of the snake as a symbol of health, in this dystopian context, they also suggest a more ominous struggle for survival. The masks, stripped of their original life-saving purpose, now symbolize the precariousness of existence in a world where the simplest of elements—air—has become a scarce and highly sought-after resource.
The installation was last shown at the ruins of Heilstätte Grabowsee, one of the earliest tuberculosis sanatoriums in North Germany. Set against the haunting backdrop of a room with a massive dust pile, resembling white sand, the masks were placed on top of this mound alongside the ventilators. The scene evoked the impression of a deserted place, frozen in time, where remnants of the past intersect with a desolate future.
DE
Diese Installation stellt eine post-apokalyptische Zukunft dar, in der Luft, einst im Überfluss vorhanden, zu einer knappen und lebenswichtigen Ressource geworden ist. Transparente grüne Sauerstoffmasken, die zu schlangenähnlichen Formen geformt sind, winden und bewegen sich, während sie von zwei oszillierenden Ventilatoren in ständiger Bewegung gehalten werden. Einige der schlangenartigen Formen wurden zu Gruppen zusammengefasst und mit schweren Keramikstücken verankert.
Der Titel „Airborne“ spiegelt die Auseinandersetzung mit den buchstäblichen und metaphorischen Aspekten von Luft und Atmung wider. „Airborne“ beschreibt zum einen die schwebende und bewegte Position der Masken in der Luft, als würden sie von unsichtbaren Strömungen getragen. Darüber hinaus verweist der Begriff „airborne“ auf unsichtbare Kräfte – wie Luft oder Viren – die das Leben erhalten oder bedrohen, was eine Verbindung zum Ausstellungsort in einem ehemaligen Tuberkulose-Sanatorium herstellt, einem Ort, der historisch mit durch die Luft übertragenen Krankheiten verbunden ist.
Die schlangenähnlichen Formen der Masken tragen auch symbolische Bedeutung: in der Medizingeschichte ist die Schlange ein kraftvolles Symbol für Heilung und Schutz, das am bekanntesten durch den Äskulapstab repräsentiert wird, ein antikes griechisches Symbol, das mit Medizin und Gesundheitswesen assoziiert wird. Der Äskulapstab, ein von einer Schlange umwundener Stab, ist nach Asklepios, dem griechischen Gott der Heilkunst, benannt. Dieses Symbol hat über die Jahrhunderte hinweg Bestand und steht für das Engagement des medizinischen Berufsstandes für Leben und Heilung.
In dieser Installation nehmen die schlangenförmigen Gebilde jedoch eine ambivalentere Rolle ein. Während sie an das medizinische Erbe der Schlange als Symbol für Gesundheit erinnern, deuten sie in diesem dystopischen Kontext auch auf einen bedrohlicheren Überlebenskampf hin. Die Masken, die ihrer ursprünglichen lebensrettenden Funktion beraubt sind, symbolisieren nun die Zerbrechlichkeit der Existenz in einer Welt, in der das einfachste Element – Luft – knapp und hart umkämpft ist.
Die Installation wurde zuletzt in den Ruinen der Heilstätte Grabowsee gezeigt, einem der ersten Tuberkulose-Sanatorien in Norddeutschland. Vor der eindringlichen Kulisse eines Raumes mit einem riesigen Staubhaufen, der weißem Sand ähnelt, wurden die Masken zusammen mit den Ventilatoren auf diesem Hügel platziert. Die Szenerie vermittelte den Eindruck eines verlassenen Ortes, eingefroren in der Zeit, an dem Überreste der Vergangenheit auf eine trostlose Zukunft treffen.
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